Wohlstandsgesellschaft

Es war bei einem „Frühstücks-Treffen für Frauen“. Mehrere hundert Frauen waren zum gemeinsamen Frühstück zusammengekommen. Wir saßen an reich gedeckten Tischen und diskutierten über Gott und die Welt und über den Auftrag der Frau in heutigen Tagen. Doch am Ende, als alle aufbrachen, da kam sie herein. Eine unauffällige Frau mit zwei großen leeren Körben. Leise machte sie sich an die Tische heran und räumte ab, was sie dort noch fand: Wurst, Käse und Unmengen von Brot. Alles verschwand in ihren riesigen Körben. „Was machen Sie mit all dem Essen?“ fragte ich verwundert. „Ich bringe es denen, die selbst nicht das Nötigste haben“, meinte sie schlicht, „den Fremden in unserer Stadt. Nach jedem Frühstücks-Treffen sammle ich ein, was übrig geblieben ist, und bringe es ihnen.“ – „Und warum machen Sie das?“, fragte ich sie. „Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben?“ – „Niemand“, antwortete sie schlicht. „Ich mache es, weil ich es machen muss. Oder soll ich etwa zusehen, wie all diese Menschen in unserer Stadt leiden?“ Da schwieg ich und dachte an Abigajil und an den Mut dieser Frau, die es wagte, in Gottes Namen außergewöhnliche Wege zu gehen.

31.03.2003 Neuk. Kal.