Wenn die Zukunftsangst um sich greift

Immer wieder von seinen Ängsten eingeholt wird Richard Lustig. Der 29-Jährige steht nach der Lehre auf der Straße, weil er von seinem Meister nicht übernommen wird. Zukunftsängste machen sich breit. Später beginnt er eine Selbstständigkeit. Doch das geht nicht lange gut und er steht plötzlich erneut vor einer ungewissen Zukunft.

Zudem muss er sich vor Gericht verantworten. Die Ängste vor dem Prozess sind die heftigsten, die er bislang erlebt hat. In der Nacht kann er keine Auge zumachen. Doch seine Angst vor einem Gefängnisaufenthalt bleibt unbegründet. Eine theologische Ausbildung muss er abbrechen. Der Leiter eröffnet ihm, dass er den Anforderungen nicht gewachsen sei. Am gleichen Tag erfährt er, dass seine eingelagerten Möbel bei einem Hochwasser überflutet wurden. Die Zukunftsangst packt ihn erneut. Danach sucht er Hilfe im Glaubenshof Cyriaxweimar bei Marburg, einer Einrichtung, die getragen wird vom Deutschen Gemeinschafts-Diakonie-Verband, von der Klinik Hohe Mark und dem Evangeliums-Rundfunk. Der Glaubenshof gehört zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Lebenshilfen. Hier in Cyriaxweimar wird dem 29-Jährigen geholfen, seine Ängste nicht zu verdrängen, sondern sich ihnen zu stellen.

Etwa ein Fünftel der Gäste, so der Leiter Michael Triebel, kommen mit Angstproblematiken zum Glaubenshof. Triebel hilft den Gästen, sich bewusst Angst machenden Situationen auszusetzen und diese auszuhalten. Den einen begleitet er auf eine Brücke, den anderen zu Menschenansammlungen. Schon der Besuch eines Gottesdienstes kann für einen Gast eine große Herausforderung sein. Bei manchem besteht der erste Schritt nur darin, sich gedanklich in eine Angst machende Situation zu begeben. Wenn der Gast sich gefestigt hat, ist es auch möglich, ihn alleine in eine Angst machende Situation hinein gehen zu lassen. Ein wesentlicher Bestandteil der Hilfe ist die Gemeinschaft auf dem Glaubenshof, wo bis zu zwölf Gäste mit den Mitarbeitern zusammenleben. Oder die Arbeitstherapie, die beispielsweise hilft, die Angst vor Tieren zu überwinden. Auf dem Glaubenshof sind täglich mehrere Pferde zu versorgen.

Selbstverständlich gehört auch dazu, nach den Ursachen der Ängste zu fragen. Für Richard Lustig ist es klar, dass sich seine Ängste in der Kindheit aufgebaut haben. Der Vater war alkoholkrank. Das hat die ganze Familie belastet, vor allem den kleinen Jungen. Damals ist er regelmäßig in die Jungschar seines Heimatortes gegangen. Als junger Mann entscheidet er sich nach einiger Zeit des Abstandes bewusst für ein Leben mit Jesus Christus. Im Glaubenshof wird auch an der Beziehung zu Gott gearbeitet. Wo habe ich den Halt in meinem Leben?, ist eine Frage, auf die er für sich eine Antwort findet. „Uns ist es wichtig, mit den Gästen auch Fragen zu klären wie “Was will Gott mir durch meine Angst sagen?““, schildert Triebel, „oder “Was will Gott aus meinem Leben machen?““ Vom biblischen König Nebukadnezar ist es tröstlich zu erfahren, dass er mitten in seiner psychischen Störung die Umkehr zu Gott erlebt und gesundet (Daniel 5,31f).

Für Richard Lustig ist die Zeit im Glaubenshof wichtig gewesen, hat ihm geholfen, Ängste anzugehen und innere Stabilität zu finden. Jetzt will er die nächsten Schritte darauf zugehen: „Ich möchte Menschen berichten, dass der Glaube Halt und Sicherheit im Leben vermittelt“. Seine eigene Biografie unterstützt diese Botschaft.

erschienen in CINA, Autor: Lothar Rühl / 27.01.2006