Nikolaus

Der Heilige Nikolaus

Es gibt kaum einen Heiligen, der wirtschaftlich so ausgebeutet wird wie der Hl. Nikolaus. Die Konsumgüterindustrie, vor allem unter dem Ein­fluss der amerikanischen Wirtschaft- und Konsummoral, hat aus diesem Mann eine dümmliche alberne Clownsgestalt gemacht, mit einem lan­gen, weißen Rauschebart und rotem Mantel, die mit seinem eigentlichen Wesen und seiner eigentlichen Bedeutung nichts mehr zu tun haben. In der heutigen, vom Kommerz bestimmten, entchristianisierten Gesell­schaft ist er nur noch ein Aufhänger für unchristliches Profitstreben und Mammonsdienst. Deshalb heißt er auch nicht mehr Sankt Nikolaus, sondern wertfrei, aber dafür im christlichen Sinne wertlos nur noch Weihnachtsmann. Er kommt auch nicht mehr zu Fuß, sondern mit dem Schlitten oder in einem teuren Auto, je nach Vermarktung.

Aber was für eine Bedeutung hat er wirklich, was für eine Bedeutung hat sein Gedenktag? „Der Nikolaustag gilt als das Fest der Kinder. Doch bei aller Verfäl­schung, die dieser Heilige im Laufe der Zeit erfahren hat, wäre es wich­tig, das eigentliche Geheimnis dieses Menschen zu erahnen. Nikolaus stellt den väterlichen Menschen dar, der zupackt, wenn Men­schen in Not sind, der Mitleid hat, der unauffällig hilft. Er gilt in vielen Gegenden als einer, den man in seiner persönlichen Not ansprechen kann. Und Nikolaus will Dir Mut machen, zu Deinen väterlichen und mütterlichen Seiten zu stehen. In Dir ist das archetypische Bild des Vaters, der andern den Rücken stärkt und sie zum Leben ermutigt. In Dir ist das Bild der Mutter, die andern Geborgenheit und Heimat schenkt, die sie nährt und ihre Wunden heilt. Und in Dir ist der lautere und gerechte Mensch, der einen Blick hat für die Not anderer. Der Brauch, am Nikolaustag andere Menschen mit Süßigkeiten zu be‑schenken, ist durchaus sinnvoll. Schaue nicht nur auf Dich, sondern auch auf die, die unter der Bitterkeit ihres Lebens leiden. Vielleicht weckt Nikolaus in Dir die Phantasie, wie Du ihr Leben versüßen kannst.“

aus „Vergiss das Beste nicht“, Anselm Grün