Ein Händedruck Gottes

Das war ein Ding! Kein Wasser mehr im Rebhaus. Die Quelle speiste zwar noch das Reservoir. Aber 300 Meter tiefer, bei meinen Reben kam nichts an. Irgendwo musste ein Leck sein. Aber wo? Über den Verlauf der Leitung gab es keine Unterlagen. Eine neue Leitung durch das felsige Gebiet zu legen, erschien mir ein Horror sowohl vom Arbeitsaufwand her gesehen als auch finanziell. Und doch – ohne Wasser ist man aufgeschmissen. Im trockenen Wallis erst recht.

Der herbeigezogene Klempner konnte nicht weiterhelfen, hat mir aber eine Spezialfirma vermittelt, die auf Lecksuche spezialisiert sei. Diese füllte die Wasserleitung mit Gas und suchte mit einem sensiblen Spezialgerät nach dem austretenden Gas. Ohne Erfolg. Auch die Zusicherung, dass sie mit dieser Methode bis jetzt jedes Leck gefunden hätten, war ein schwacher Trost. Warum musste ausgerechnet ich ihr erster Misserfolg sein?

Während der Suche hatte ich wie ein Weltmeister gebetet. Ich konnte sonst gar nichts tun. Aber das hatte auch nicht geholfen. Unverrichteter Dinge musste die Firma abziehen. Ich hatte immer noch kein Wasser.

Ein paar Tage später musste ich etwas abschalten. Den Alltag hinter mir lassen. Ein paar ruhige Stunden allein sein. Und so war ich wieder im Rebhaus. Hockte vor der Hütte auf der Bank. Dachte dabei kaum an mein Wasserproblem, sondern genoss die Natur: die gewaltige Mischabelkette, das sind die höchsten Viertausender der Schweiz, die Reben, Blumen und Schmetterlinge. Plötzlich blieb mein Blick an einem Fleck mit grünem Klee hängen. Dieser war gewöhnlich ziemlich braun, trocken, eben nicht bewässert.

Schnell stiess ich eine Schaufel in den Klee. Da lief gleich Wasser zusammen. Das Leck war gefunden! Allerdings musste noch einen Meter tiefer gegraben werden, um die Leitung richtig freizulegen. Zuerst war ich mächtig stolz. Mein Beobachtungsvermögen und mein gesunder Menschenverstand sind doch mehr Wert als die teuren Fachleute, dachte ich. Schnell kam ich aber wieder zur Besinnung. Ich weiss, wem ich das wieder gefundene Wasser zu verdanken habe. Dankbar bezeuge ich, dass Gott mein Gebet doch erhört hat. Ja, ich staune einmal mehr, wie er im Alltag immer wieder als gütiger Vater zu erfahren ist.

Gestern bekam ich von der Versicherung unerwartet Bescheid, dass die Kosten der Lecksuche selbstverständlich von ihr übernommen werden. Noch ein Händedruck des lieben Vaters an sein manchmal sehr eingebildetes Kind.

Christoph Gysel